Ausbildungs- und Prüfungsverordnung Notfallsanitäter
Thoretischer und praktischer Unterricht (Anlage 1 zu § 1 Abs. 1)
Der theoretische und praktische Unterricht umfasst folgende Themenbereiche:
1. Notfallsituationen bei Menschen aller Altersgruppen sowie Gefahrensituationen erkennen, erfassen und bewerten Die Schülerinnen und Schüler sind zu befähigen (360 Stunden)
a) auf der Grundlage notfallmedizinischer Erkenntnisse und notfallrelevanter Kenntnisse der Bezugswissenschaften, wie Naturwissenschaften, Anatomie, Physiologie, allgemeine und spezielle Krankheitslehre und medizinische Mikrobiologie sowie Sozialwissenschaften, Notfallsituationen wahrzunehmen und zu reflektieren sowie Veränderungen der Notfallsituationen zu erkennen und adäquat zu handeln
b) eine Eigen- und Fremdanamnese unter Anwendung der notwendigen diagnostischen Maßnahmen entsprechend dem aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik sowie unter Berücksichtigung des Zustandes der Patientin oder des Patienten insbesondere im Hinblick auf ihre oder seine vitale Gefährdung zielgerichtet zu erheben
c) die erhobenen Befunde zu beurteilen und eine Arbeitsdiagnose zu erstellen
d) Maßnahmen zur Erkundung einer Einsatzstelle unter Beachtung der Lage vor Ort zu kennen und dabei mögliche Gefahren zu erfassen und zu beachten
e) die gewonnenen Erkenntnisse zu beurteilen sowie der Situation entsprechend zu reagieren
f) die eigenen Grenzen insbesondere im Hinblick auf die Gefährdungslage, die Zahl der betroffenen Personen oder die berufsrechtlichen Rahmenbedingungen zu beachten und unter Berücksichtigung sachlicher, personenbezogener und situativer Erfordernisse Maßnahmen zum Anfordern entsprechender Unterstützung einzuleiten.
2. Rettungsdienstliche Maßnahmen und Maßnahmen der Gefahrenabwehr auswählen, durchführen und auswerten (360 Stunden)
Die Schülerinnen und Schüler sind zu befähigen
a) Maßnahmen zur Rettung der Patientinnen und Patienten sowie medizinische Maßnahmen der Erstversorgung entsprechend dem aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik in ihrer Zielsetzung, Art und ihrem Umfang an der Arbeitsdiagnose auszurichten und danach zu handeln
b) Maßnahmen zur Überprüfung und Sicherung der Vitalfunktionen zu kennen und das eigene Handeln situationsbezogen danach auszurichten
c) geeignete Hilfsmittel zur fachgerechten Lagerung und zum Transport von unterschiedlichen Patientengruppen zu kennen und unter Beachtung von Aspekten der Patienten- und Eigenschonung das eigene Handeln danach auszurichten
d) Maßnahmen zur fachgerechten Lagerung, Betreuung und Überwachung unter Einbeziehung der Grundregeln der Hygiene von unterschiedlichen Patientengruppen während des Transports zu kennen und das eigene Handeln danach auszurichten
e) Maßnahmen zur fachgerechten Betreuung und Überwachung unter Einbeziehung der Grundregeln der Hygiene von unterschiedlichen Patientengruppen während eines ärztlich begleiteten Sekundärtransports zu kennen und das eigene Handeln danach auszurichten
f) Besonderheiten bei Intensivtransporten und notwendige Pflegemaßnahmen beim Transport von Intensivpatientinnen und -patienten unter Einbeziehung der Grundregeln der Hygiene zu kennen
g) Maßnahmen zur Gefahrenabwehr und zum Eigenschutz einschließlich der Grundregeln des Infektionsschutzes zu kennen und das eigene Handeln danach auszurichten
h) die durchgeführten berufsfeldspezifischen Maßnahmen zu evaluieren und zielgerichtetes Handeln kontinuierlich an sich verändernde Anforderungen anzupassen.
3. Kommunikation und Interaktion mit sowie Beratung von hilfesuchenden und hilfebedürftigen Menschen unter Berücksichtigung des jeweiligen Alters sowie soziologischer und psychologischer Aspekte (120 Stunden)
Die Schülerinnen und Schüler sind zu befähigen
a) Grundlagen aus Psychologie und Soziologie im Hinblick auf Kommunikation und Interaktion im Rettungsdienst zu kennen
b) die Bedürfnisse von kranken und verunfallten Patientinnen und Patienten sowie ihrer Angehörigen zu verstehen und unter Berücksichtigung personenbezogener und situativer Erfordernisse mit ihnen zu kommunizieren
c) die besonderen Bedürfnisse von sterbenden Patientinnen und Patienten sowie ihrer Angehörigen zu beachten
d) die Besonderheiten bei der Kommunikation und Betreuung von speziellen Patientengruppen wie Kindern, Jugendlichen, älteren Menschen, pflegebedürftigen Menschen, gesellschaftlichen Randgruppen, übergewichtigen Menschen oder hör- und sehbehinderten Menschen sowie von deren Angehörigen und von unbeteiligten Dritten zu kennen und das eigene Kommunikationsverhalten, auch unter Nutzung nonverbaler Möglichkeiten, danach auszurichten
e) die wesentlichen psychischen Erkrankungen sowie ihre Auswirkungen auf die Patientenkommunikation und Patientenbetreuung zu kennen und das eigene Kommunikationsverhalten danach auszurichten.
4. Abläufe im Rettungsdienst strukturieren und Maßnahmen in Algorithmen und Einsatzkonzepte integrieren und anwenden (100 Stunden)
Die Schülerinnen und Schüler sind zu befähigen
a) Versorgungsalgorithmen entsprechend dem aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik zu kennen und sie unter Berücksichtigung sachlicher, personenbezogener und situativer Erfordernisse durchzuführen
b) Einsatzkonzepte bei besonderen Einsatzlagen zu kennen und das eigene Handeln danach auszurichten
c) Verfahrensanweisungen zur Strukturierung und Organisation von Arbeitsabläufen auf einer Rettungswache zu kennen und danach zu handeln.
5. Das Arbeiten im Rettungsdienst intern und interdisziplinär innerhalb vorhandener Strukturen organisieren (100 Stunden)
Die Schülerinnen und Schüler sind zu befähigen
a) die Einsatzmittel des Rettungsdienstes einschließlich Luft-, Berg- und Wasserrettungsdienst und ihre Aufgaben zu kennen
b) Vorschriften und Ablauf der täglichen Kontrolle des Materials und der Geräte anhand von Checklisten zu kennen und ihre Einsatzbereitschaft sowie die Einsatzbereitschaft der Rettungsmittel sicherzustellen
c) Funk- und Kommunikationsmittel sowie Orientierungshilfen zu kennen und mit ihnen zu arbeiten
d) die Krankenhausorganisation in Deutschland zu kennen und dieses Wissen bei Transportentscheidungen im Rettungsdienst zu beachten
e) die technischen und organisatorischen Besonderheiten bei Intensivtransporten zu kennen
f) die geänderten Strukturen sowie Maßnahmen der Einsatzleitung bei außergewöhnlichen Einsatzlagen wie insbesondere Großschadensfällen, CBNR-Gefahren, terroristischen Gefahren und Katastrophen zu kennen und nach diesen bis zum Eintreffen von Leitungspersonal zu handeln.
6. Handeln im Rettungsdienst an Qualitätskriterien ausrichten, die an rechtlichen, wirtschaftlichen und ökologischen Rahmenbedingungen orientiert sind (100 Stunden)
Die Schülerinnen und Schüler sind zu befähigen
a) die rechtlichen Rahmenbedingungen des Rettungsdienstes einschließlich der für seine Organisation und Durchführung relevanten Vorschriften der Landesrettungsdienstgesetze sowie des Katastrophenschutzes zu kennen
b) die rechtlichen Rahmenbedingungen in Bezug auf die medizinische Behandlung zu kennen und das eigene Handeln danach auszurichten
c) die relevanten Rechtsvorschriften aus dem Straf- und Zivilrecht, aus dem Straßenverkehrsrecht sowie aus anderen einschlägigen Rechtsgebieten, insbesondere dem Arbeitsund Arbeitsschutzrecht, zu kennen und das eigene Handeln danach auszurichten
d) Qualitätsmanagement- und Dokumentationssysteme im Rettungsdienst zu kennen und das eigene Handeln danach auszurichten.
7. Bei der medizinischen Diagnostik und Therapie mitwirken, lebenserhaltende Maßnahmen und Maßnahmen zur Abwendung schwerer gesundheitlicher Schäden bis zum Eintreffen der Notärztin oder des Notarztes oder dem Beginn einer weiteren ärztlichen Versorgung durchführen (500 Stunden)
Die Schülerinnen und Schüler sind zu befähigen
a) apparative Hilfsmittel zur Diagnose und Überwachung von Notfallpatientinnen und -patienten zu kennen und situationsbezogen einzusetzen
b) Maßnahmen zur Sicherung der Atemwege und Beatmung wie insbesondere endotracheale Intubation, supraglottische Atemwegshilfen, erweiterte Beatmungsformen, medikamentöse Therapien oder Narkoseeinleitungen entsprechend dem aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik zu kennen und bei ihrer Durchführung mitzuwirken
c) Maßnahmen zur Stabilisierung des Kreislaufs wie insbesondere medikamentöse Therapien oder Infusionstherapien entsprechend dem aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik zu kennen und bei ihrer Durchführung mitzuwirken
d) Maßnahmen im Rahmen der Reanimation wie insbesondere medikamentöse Therapien entsprechend dem aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik zu kennen und bei ihrer Durchführung mitzuwirken
e) Maßnahmen im Rahmen der chirurgischen Versorgung von Notfallpatientinnen und -patienten wie insbesondere Thoraxdrainage, Tracheotomie, Koniotomie oder Reposition entsprechend dem aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik zu kennen und bei ihrer Durchführung mitzuwirken
f) ärztlich veranlasste Maßnahmen zur Sicherung der Atemwege und Beatmung, zur Stabilisierung des Kreislaufs, im Rahmen der Reanimation und im Rahmen der chirurgischen Versorgung im Einsatzkontext eigenständig durchzuführen und die dabei relevanten rechtlichen Aspekte
g) Maßnahmen zur Sicherung der Atemwege und Beatmung, zur Stabilisierung des Kreislaufs, im Rahmen der Reanimation und im Rahmen der chirurgischen Versorgung, die zur Lebenserhaltung oder zur Abwendung schwerer gesundheitlicher Schäden im Einsatzkontext erforderlich sind, bis zum Eintreffen der Notärztin oder des Notarztes oder dem Beginn einer weiteren ärztlichen Versorgung eigenständig durchzuführen und die dabei relevanten rechtlichen Aspekte zu berücksichtigen
h) Maßnahmen der erweiterten notärztlichen Therapie, die über die Maßnahmen zur Sicherung der Atemwege und Beatmung, zur Stabilisierung des Kreislaufs, im Rahmen der Reanimation und im Rahmen der chirurgischen Versorgung hinausgehen, bei notfallmedizinisch relevanten Krankheitsbildern zu kennen
i) Maßnahmen der erweiterten notärztlichen Therapie, die zur Lebenserhaltung oder zur Abwendung schwerer gesundheitlicher Schäden im Einsatzkontext bis zum Eintreffen der Notärztin oder des Notarztes oder dem Beginn einer weiteren ärztlichen Versorgung erforderlich sind, eigenständig durchzuführen und die dabei relevanten rechtlichen Aspekte, insbesondere die Verhältnismäßigkeit bei der Auswahl der Maßnahmen, zu berücksichtigen.
8. Berufliches Selbstverständnis entwickeln und lernen, berufliche Anforderungen zu bewältigen (100 Stunden)
Die Schülerinnen und Schüler sind zu befähigen
a) den Notfallsanitäterberuf im Kontext der Gesundheitsfachberufe zu positionieren
b) sich kritisch mit dem Beruf auseinanderzusetzen
c) zur eigenen Gesundheitsvorsorge beizutragen
d) mit Krisen- und Konfliktsituationen konstruktiv umzugehen und insbesondere Deeskalationsstrategien zu kennen und anzuwenden.
9. Auf die Entwicklung des Notfallsanitäterberufs im gesellschaftlichen Kontext Einfluss nehmen (60 Stunden)
Die Schülerinnen und Schüler sind zu befähigen
a) das Gesundheitssystem in Deutschland in seinen wesentlichen Strukturen zu kennen und Entwicklungen im Gesundheitswesen wahrzunehmen, deren Folgen für den Notfallsanitäterberuf einzuschätzen und sich in die Diskussion einzubringen
b) den Notfallsanitäterberuf in seiner Eigenständigkeit und im Zusammenwirken mit unterschiedlichen Akteuren zu verstehen, danach zu handeln und ihn weiterzuentwickeln
c) die eigene Ausbildung kritisch zu betrachten sowie Eigeninitiative und Verantwortung für das eigene lebenslange Lernen zu übernehmen
d) Grundlagen der englischen Fachsprache zu kennen, um fachbezogen zu kommunizieren
e) Unterschiede von Rettungsdienstsystemen innerhalb der Bundesrepublik Deutschland sowie in den verschiedenen europäischen Ländern zu kennen.
10. In Gruppen und Teams zusammenarbeiten (120 Stunden)
Die Schülerinnen und Schüler sind zu befähigen
a) Übergabe- und Übernahmegespräche zielgerichtet zu führen
b) mit Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben sowie mit sonstigen beteiligten Behörden und Organisationen situationsbezogen zusammenzuarbeiten
c) Zuständigkeiten und Kompetenzen von Berufsbildern im Gesundheitswesen zu kennen
d) Zuständigkeiten und Kompetenzen im Bereich von Sicherheit und Ordnung sowie im Bereich von Gefahrenabwehr und Ordnung sowie im Bereich von Gefahrenabwehr und Katastrophenschutz zu kennen.
Gesamtstundenzahl: 1920
(Quelle: BR-Drucksache 728/13)