Ausbildungs- und Prüfungsverordnung Notfallsanitäter
§ 17 Praktischer Teil der Prüfung
(1) Im praktischen Teil der Prüfung hat der Prüfling nachzuweisen, dass er in der Lage ist, die während der Ausbildung erworbenen Kenntnisse und Fertigkeiten in der beruflichen Praxis anzuwenden und befähigt ist, die Aufgaben in der Notfallversorgung gemäß § 4 des Notfallsanitätergesetzes auszuführen.
(2) Der praktische Teil der Prüfung erstreckt sich auf die Demonstration von praktischen Fähigkeiten und Fertigkeiten im Rahmen der Notfallversorgung. Der Prüfling übernimmt bei vier vorgegebenen Fallbeispielen die anfallenden Aufgaben einer fachgerechten notfallmedizinischen Versorgung einschließlich
1. der Einschätzung der Gesamtsituation,
2. der Erstellung einer Arbeitsdiagnose,
3. des Umgangs mit medizinisch-technischen Geräten,
4. der Durchführung von Sofort- und erweiterten Versorgungsmaßnahmen,
5. der Dokumentation sowie,
6. soweit erforderlich, der Herstellung der Transportbereitschaft und der Übergabe der Patientin oder des Patienten in die notärztliche Versorgung.
Eines der Fallbeispiele muss aus dem Bereich der internistischen Notfälle, eines aus dem Bereich der traumatologischen Notfälle und eines aus dem Bereich Herzkreislaufstillstand mit Reanimation stammen. Bei mindestens einem Fallbeispiel ist die Prüfung zusätzlich auf das praktische Vorgehen bei der Auswahl der Zielklinik, auf die Zusammenarbeit mit der Leitstelle, die Anmeldung in der stationären Versorgungseinrichtung und die Übergabe in diese zu erstrecken.
(3) Jedes Fallbeispiel wird durch ein Fachgespräch ergänzt. In diesem hat der Prüfling sein Handeln zu erläutern und zu begründen sowie die Prüfungssituation zu reflektieren.
(4) Die Auswahl der Fallbeispiele erfolgt durch die Vorsitzende oder den Vorsitzenden des Prüfungsausschusses auf Vorschlag der Schule. Dabei sind der aktuelle Standard und die Besonderheiten und Erfordernisse der Notfallmedizin und einer zeitgemäßen Notfallversorgung angemessen zu berücksichtigen.
(5) Die Prüflinge werden einzeln oder zu zweit geprüft. Die Prüfung soll einschließlich des Fachgesprächs für jedes Fallbeispiel mindestens 20 und nicht länger als 40 Minuten dauern. Die Prüfung kann auf zwei aufeinanderfolgende Tage verteilt werden.
(6) Jedes Fallbeispiel wird von mindestens zwei Fachprüferinnen oder Fachprüfern, von denen eine oder einer Fachprüferin oder Fachprüfer nach § 5 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 ist und die Voraussetzung des § 3 Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 erfüllt, abgenommen und benotet. Aus den Noten der Fachprüferinnen oder Fachprüfer bildet die oder der Vorsitzende des Prüfungsausschusses im Benehmen mit den Fachprüferinnen oder Fachprüfern die Prüfungsnote für jedes Fallbeispiel. Aus diesen Noten bildet die oder der Vorsitzende des Prüfungsausschusses die Gesamtnote für den praktischen Teil der Prüfung. Der praktische Teil der Prüfung ist bestanden, wenn jedes Fallbeispiel mindestens mit "ausreichend" benotet wird.
Begründung des Verordnungsgebers zu § 17
"Die Vorschrift regelt den praktischen Teil der Prüfung. Dieser umfasst eine Demonstration von praktischen Fähigkeiten und Fertigkeiten im Rahmen der Notfallversorgung anhand von vier Fallbeispielen. Der Prüfling übernimmt dabei alle Aufgaben, die erforderlich sind, um die anstehende Versorgungssituation fachgerecht zu bewältigen.
In der praktischen Prüfung spiegelt sich die spätere berufliche Tätigkeit im Notfalleinsatz maßgeblich wider. Sie bietet damit auch eine gute Gelegenheit, das Verständnis des Prüflings über den Umfang seiner in der Ausbildungszielbeschreibung dargestellten beruflichen Kompetenzen im praktischen Einsatz zu demonstrieren. Da die praktische Prüfung einerseits die verschiedenen Facetten und andererseits die Komplexität des Berufsalltags widerspiegeln soll, wird im Regelungstext nicht auf die Anlagen 1 bis 3 der Verordnung verwiesen. Vielmehr ist es Aufgabe des Prüflings, auf Grund des gesamten Spektrums der Ausbildung und ihrer Inhalte die zur Bewältigung des jeweiligen Fallbeispiels erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen. Bei einem Fallbeispiel erweitert sich die Prüfungsaufgabe zusätzlich um das praktische Vorgehen bei der klinischen Weiterversorgung der Patientinnen und Patienten.
Um das breite Aufgabenspektrum des Notfallsanitäterberufs abzudecken, haben sich drei der vier Fallbeispiele auf vorgegebene Notfallbereiche zu erstrecken. Das vierte Fallbeispiel sollte aus einem weiteren Bereich stammen. Bei der Auswahl können die besonderen Gegebenheiten der jeweiligen Schule berücksichtigt werden. Im Hinblick auf die vorgegebenen Notfallbereiche ist auf eine Patientenprüfung verzichtet worden.
Voraussetzung für die ordnungsgemäße Erledigung der Prüfungsaufgaben sind die während der Ausbildung erworbenen Kompetenzen, auf die es bei der späteren Berufsausübung entscheidend ankommt. Neben der Erledigung der Aufgaben hat der Prüfling daher in einem sich an das einzelne Fallbeispiel anschließenden Fachgespräch Erläuterungen und Begründungen zu den von ihm durchgeführten Tätigkeiten abzugeben und sich mit den jeweiligen Fallbeispielen auseinanderzusetzen. Hierdurch erhält der Prüfling die Gelegenheit nachzuweisen, dass er nicht nur Prüfungsaufgaben sachgerecht erledigen kann, sondern auch in der Lage ist, sein Handeln auf andere Fallkonstellationen zu übertragen.
Mit dem Beleg für ein begründetes Handeln in der rettungsmedizinischen Notfallversorgung und der Aufforderung, das eigene Tun kritisch zu hinterfragen, wird im Rahmen der praktischen Prüfung eine wichtige Grundlage für die selbständige Gestaltung des Arbeitsprozesses während der späteren Tätigkeit im Notfalleinsatz gelegt. Diese neue Qualität in der praktischen Prüfung bringt nicht nur einen Gewinn für den Prüfling, weil sie die Nachhaltigkeit des Lernens verstärkt. Das Prüfungsgeschehen stellt vielmehr im Kontext mit der handlungsorientierten Ausrichtung des Unterrichts und der praktischen Ausbildung zukünftig eine Einheit dar und schließt damit den Kreis zur Erreichung des im NotSanG formulierten Ausbildungsziels. Daneben gleicht das Fachgespräch die Tatsache aus, dass in der Prüfungssituation die praktische Falldarstellung nur ein Modell der weitaus komplexeren Gesamtsituation sein kann, die in der Realität anzutreffen ist. Es ist allerdings darauf zu achten, dass die Nachfragen der prüfenden Personen nicht zur Situation einer weiteren mündlichen Prüfung führen.
Forderungen, die praktische Prüfung in Form einer Teamarbeit mit wechselnder Teamführerschaft zu regeln, ist nicht entsprochen worden. Die praktische Prüfung erstreckt sich auf vier Fallbeispiele, die das anfallende Aufgabenspektrum möglichst breit abdecken sollen. Der Prüfling hat dabei zu zeigen, dass er in jedem dieser Bereiche der Verantwortung einer Notfallsanitäterin oder eines Notfallsanitäters als Teamführerin oder Teamführer am Einsatzort gerecht wird. Dieser Nachweis kann nicht erbracht werden, wenn jeder Prüfling lediglich in zwei Fallbeispielen als Verantwortlicher agiert. Zudem stellt sich in einer solchen Teamsituation die Frage der Bewertung des Prüfungsgeschehens, insbesondere wenn Fehler gemacht werden. Hier wäre unter Umständen nicht eindeutig festlegbar, wem diese zuzurechnen sind.
Absatz 4 beinhaltet Vorgaben zur Auswahl der Fallbeispiele, bei denen zu berücksichtigen ist, dass in einer zeitgemäßen Notfallversorgung ein strukturiertes, straffes und zügiges Vorgehen zunehmend an Bedeutung gewinnt. Absatz 5 gibt den zeitlichen Rahmen für die praktische Prüfung vor.
In Absatz 6 ist die Bildung der Prüfungsnote für den praktischen Teil der Prüfung geregelt.
Die Prüfung ist in jedem Fallbeispiel von mindestens zwei Fachprüferinnen und Fachprüfern abzunehmen und zu benoten. Von ihnen muss eine Person Praxisanleiterin oder -anleiter sein (Satz 1). Darin spiegelt die während der Ausbildung praktizierte Verknüpfung zwischen Theorie und Praxis wider, welche letztlich durch die praxisanleitende Person als Fachprüferin oder Fachprüfer dokumentiert ist. Die Prüfungsnote für jedes Fallbeispiel bildet die oder der Vorsitzende des Prüfungsausschusses im Benehmen mit den Fachprüferinnen und Fachprüfern (Satz 2). Voraussetzung des Bestehens der praktischen Prüfung ist im Hinblick auf die spätere berufliche Tätigkeit, dass jedes Fallbeispiel mindestens mit "ausreichend" benotet wird.
Bei der Bewertung der einzelnen Fallbeispiele wird auf eine explizite Vorgabe für den Fall des Versterbens der Patientin oder des Patienten verzichtet. Die Fachprüferinnen und Fachprüfer sind vielmehr gehalten, ihn in geeigneter Form in ihre Benotung der einzelnen Fallbeispiele einzubeziehen. Das gilt gleichermaßen für gravierende Fehlleistungen der Prüflinge, die zu einer vitalen Gefährdung der Patientinnen oder Patienten führen könnten.
Die Vorschrift betrifft den mündlichen Teil der staatlichen Ergänzungsprüfung. Absatz 1 nennt die Themenbereiche, die Gegenstand der Prüfung sind. Sie kennzeichnen in besonderer Weise die Weiterentwicklung der Ausbildung zum Beruf des Notfallsanitäters im Vergleich zur bisherigen Rettungsassistentenausbildung. Die Durchführung und Bewertung des mündlichen Teils der Ergänzungsprüfung entspricht im Wesentlichen dem mündlichen Teil der staatlichen Prüfung, weshalb auf die Ausführungen zu § 16 verwiesen wird."
Quelle: BR-Drucksache 728/13)